Die Glocken der DDR (The Bells of the GDR)

Two things came together, I discovered the Museum der unerhörten Dinge (museum of unheard objects), close to my home, And I found an old Cassette labeled „Glocken der DDR“ at my place.
It was evident, that this Cassette would come with its own story, and only an expert, familiar with unheard objects, could decipher it: Roland Albrecht, the director of the museum. Consequently I donated the cassette to the museum and it didn’t stay unheard…
(the original story further down, not yet translated…)

On the occasion of the long night of the museums I created a sound installation based on the sounds of that cassette. That night we had more than 700 visitors. Never before so many people would have listened to my sounds…

You can listen to an excerpt here:
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And this is the story (German):

Die Glocken der DDR

Die Geschichte eines Tonträgers mit dem Geläut der DDR, der den Einsturz, den Fall der Mauer vorbereitet, eingeläutet hat.

Die Kassette wurde von Stefan Tiedje entdeckt und ins Museum gebracht.
Wenn man Karl Lieberknecht darauf anspricht, erzählt er die Geschichte mit den Glocken immer gern. Mit einem Lächeln erzählt er, wie die ganze Idee auf dem Rostocker Kirchentag im Juli 1988 entstand.
Der Kirchentag hatte die Losung: „Brücken bauen“. Lieberknecht meldete sich in der Arbeitsgruppe „Wie alt ist das Alte Testament? Ist es alt? Es ist die Zukunft!“ an.
Die Diskussion kam dann schnell auf die Trompeten von Jericho. Wie die Mauern der Palmenstadt zerbarsten, die Stadt eingenommen wurde, eine der besten wehrhaften Mauern der damaligen Zeit eigentlich friedlich erobert wurde, nur durch das Blasen, durch das ununterbrochene Blasen von Trompeten.
Eine Johanna aus Görlitz erzählte dann die Geschichte aus der Bibel: „Als die Kinder Israels vor den Toren Jerichos standen, sprach Gott mit ihrem Führer Josua, dass er, Gott, ihm das Schicksal aller in Jericho Lebenden in die Hand gibt. Sie sollen die Stadt erobern. Josua war es unklar wie, denn die Stadt war eine einzige Festung, da konnte kaum jemand raus und nur schwer hinein. Dann sprach Gott zu Josua, er solle sieben Tage mit vielen Posaunen die Stadt umrunden. Das Volk solle sechs Tage schweigsam mit gehen, am siebten Tag soll es schreien und in einer großen Demonstration um die Mauern gehen. Dann würden die Selbige zusammen fallen und die Stadt könne erobert werden. Sie sollen aber nichts von dem Alten übrig lassen, nichts, gar nichts. Das ist die Botschaft der Bibel“. Und diese Johanna meinte dann, man sollte das auch ernst nehmen, das seien nicht alles nur Metaphern, Beispiele, Gleichnisse und so ein Zeug.
Allen wurde dann das Thema doch zu heiß, zu stark waren die Parallelen zu der deutschen Teilungsmauer. Aber irgendwie lief die Diskussion immer wieder auf die Mauer hinaus und auf die Frage, ob so etwas denn denkbar sei.
Ein Otto, er war Akustiker, meinte, dass dies sehr wohl möglich sei, durch die Obertöne: „Obertöne sind ganz was Spannendes. Ohne Obertöne gibt es eigentlich keine Musik, das würde sich ganz komisch anhören; das, was wir hören, das, was bei uns Gefühle auslöst, das sind immer die Obertöne, die Obertöne ergeben die Psychoakustik. Das sind ganz chaotische Schwingungen, Frequenzen, und das Spannendste ist, dass durch Töne, durch die Schwingungen der Töne, Materie beeinflusst werden kann. Also kann die Bibelgeschichte sehr wohl so stattgefunden haben, wie sie geschrieben ist. Durch das Blasen von hunderten Posaunen, es waren sicher Schofars aus Metall, können extreme Schwingungen aufgebaut werden, dass die Mauern porös und brüchig werden.“
Dann kam Georg ins Spiel, ein uriger Kerl aus Annaberg. Gerüchte rankten sich um ihn, fünf Kinder hätte er, alle von anderen Frauen, zwei Kinder von ihm wären im Abstand von drei Tagen geboren, er würde im Wald wohnen, ein echter Aussteiger. Auf jeden Fall zauberte er plötzlich eine Tonträgerkassette hervor und meinte: „Wie wäre es damit, da sind alle Glocken der Republik zu hören?“, worauf Otto, der Akustiker, meinte, dass Glocken die meisten Obertöne hätten, Glocken würden noch viel besser wirken als alle Trompeten, Posaunen und Schofars zusammen.
Es war eine Tonbandkassette von Eterna, VEB Deutsche Schallplatten Berlin, eine Kassette mit dem Geläut der DDR, plus Ansage. Mit Glocken aus Frankfurt, Meißen, Naumburg, Berlin, Marktneukirchen, Leipzig, von überall, alle Glocken der DDR.
Der ganze Kreis hörte nun die Kassette an. Ganz still wurde es. Allen war klar, dass gerade etwas besonders passierte. Eine ganz merkwürdige Stimmung, etwas Heiliges entstand, etwas Ehrfurchtvolles, etwas Geheimnisvolles und es war auch das Gefühl, dass plötzlich das Schicksal der DDR in ihren Händen lag.
Dann ging es ganz schnell. Man verabredete, dass man jeden Montagabend diese Kassette, die es auch als Schallplatte gab, hörte. Es sollten so viele wie möglich sein. Jeder sollte jeden, den er kennt, ansprechen und auch auffordern die Glocken zu hören, immer Montagabend und wenn tausende die Glocken hörten, wenn zigtausend mal die Schwingungen erzeugt werden, würde das sicher Wirkung zeigen, und die Mauern, die noch abzureißen sind, zum Wanken bringen.
Ein Jahr Später hörten zig Tausende in der DDR diese Kassette, die immer wieder neu kopiert wurde. Montagabend für Montagabend hörte man die Kassette in allen Ecken der damaligen Republik. Glockenpartys wurden veranstaltet, Schweigetreffen zum Glocken hören abgehalten und vieles dergleichen.
Wie das dann im Herbst weiter ging, kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen.
Es gab dann die Montagsdemonstrationen, und niemand hörte mehr die Glocken, man ging am Montag zur Demo, und aus den Demos wurde dann der Fall der bereits maroden, porösen Mauer und von der DDR blieb, wie in der Bibel prophezeit, nichts mehr übrig.
Von den Glocken, von den ganzen Treffen, wo man gemeinsam hörte, redet heute niemand mehr, es ist alles vergessen und wenn Karl Lieberknecht schmunzelnd davon erzählt, dass das alles nicht in den Geschichtsbüchern steht, und dass das auch nicht so schlimm wäre, dort stehe vieles nicht drin,
was aber doch stattgefunden habe. Wenn man dabei sein Lächeln sieht, glaubt man ihm fast.

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